Enderal:Das goldene Haus

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Das goldene Haus

Bücher Das goldene Haus
Daten
Gewicht Gewicht
1
Wert Wert
24
Autor
Unbekannt
Bemerkungen
Das Buch befasst sich mit den Arp

Das goldene Haus ist ein Buch in Enderal – Die Trümmer der Ordnung.


Fundorte


Inhalt

Das goldene Haus

Einst, als der Flüsterwald noch der Wald der Tausend Blätter genannt wurde und die Tage auf Enderal jung waren, lebten eine Frau und ihr Gefährte in einem Handelsposten an der Sonnenküste. Beide waren sie Schaffende, die Frau ihres Pfades Schneiderin, der Mann seines Pfades Goldschmied. Sie wohnten zusammen in einem bescheidenen Haus am Rande des Städtchens und gingen ihrem Tagewerk nach. Doch beide waren sie unzufrieden mit ihrem Pfad, und eines Tages sagte der Mann zu seiner Gefährtin: "Warum leben wir in diesem einfachen Haus, kleiden uns in Leinenstoffe und speisen Brot und Eintopf, während vor unserer Haustür die edelsten Waren und teuersten Köstlichkeiten von den Schiffen geladen werden?" Und die Frau antwortete: "Du sprichst recht, mein Gefährte. Auch ich bin es müde, stets auf die Reichtümer anderer zu blicken und mich danach zu verzehren. Doch Malphas hat den Pfad der Schaffenden für uns vorgesehen, und für uns selbst bleiben nur die einfachen Dinge. Selbst wenn ich ein feines Kleid aus kileanischer Seide nähe, sind es die reichen Händler, die durch den Verkauf ihre Groschen mehren, nicht ich. Ein kunstvoller Kerzenhalter, den Du fertigst, schmückt mit seinem goldenen Schein das Haus eines Erhabenen, nicht unseres."

Der Mann blieb lange stumm und blickte aus dem Fenster auf den kleinen Garten, in dem er und seine Gefährtin Gemüse und Kräuter anbauten, umrahmt von einigen sorgsam gepflegten Blumenstöcken. Schließlich sagte er: "Wenn wir selbst unseren Handel mit den Fremdländern betreiben, können wir die Gilden außen vor lassen. Hat man uns bei der Pfadesweihe verboten, das, was wir schaffen, selbst zu verkaufen? Nein, wir werden unseren Pfad nicht verlassen ... er wird sich bloß erweitern für uns, und das, was wir dadurch erreichen, sollte Malphas ein Wohlgefallen sein." Die Frau war erschrocken ob der frevelhaften Worte, sagte aber nichts. Sie nickte nur gedankenverloren, als ihr Gefährte die wertvollsten der von ihnen gefertigten Stücke einsammelte und das Haus verließ.

Spät kam er an diesem Abend wieder, und er brachte einen prall mit Groschen gefüllten Beutel mit, den die Frau mit glänzenden Augen auf dem Esstisch entleerte. Bald kehrte der Mann mit immer mehr Groschen und Tauschgütern von den Schiffen der Fremdländer zurück. Zufrieden berichtete er, dass er von den Fremden respektiert werde, und dass sie gerne mit ihm Geschäfte machten. Er brachte edle und seltene Stoffe zu seiner Gefährtin, die daraus teure Kleider nähte. Er selbst erhandelte sich wertvolle Perlen und Edelsteinen, die er zu prachtvollem Schmuck verarbeiten konnte. Es dauerte nur wenige Monde, bis die Groschen zu Goldstücken wurden und der Mann und seine Gefährtin den lange ersehnten Reichtum in den Händen hielten.

Eines Abends sagte die Frau zu ihrem Gefährten: "Nun liegen die süßesten Früchte aus den fernsten Landen auf unserem Tisch, unsere Zimmer sind reich geschmückt, aber immer noch leben wir in diesem einfachen Haus. Mit unserer Tüchtigkeit hätten wir ein Anwesen im Adelsviertel von Ark verdient, doch gleich wie viel Gold wir sammeln, uns bleibt ein Leben in dieser Pracht verwehrt."

"Wenn die Erhabenen die prunkvollen Anwesen vor uns verschließen", antwortete der Mann da, "werden wir sie mit dem Prunk unseres eigenen Hauses alle übertreffen."

Am nächsten Abend kehrte der Mann noch später nach Hause zurück, und er legte sich nicht schlafen. Seine Gefährtin glaubte während der Nacht seltsame klopfende und schabende Geräusche wahrzunehmen, traute sich aber nicht, nachzusehen, was sie bedeuteten.

Als sie am nächsten Morgen in den Garten ging, fand sie ihren Gefährten schlafend im Kräuterbeet vor. Erschrocken blickte sie am Haus empor, dessen Front sich völlig verändert hatte: Alle Fensterrahmen waren mit goldenen Einlegearbeiten verziert. Wo vorher die Eingangstüre war, befand sich ein doppelflügliges Tor aus fremdartigem, dunkel glänzendem Holz. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass der bisher hölzerne Gartenzaun durch mit feinen Goldadern überzogene Stangen aus Schattenstahl ersetzt worden war, auf deren Spitzen glitzernde Edelsteine angebracht waren.

"Da muss Wildmagie im Spiel sein", flüsterte sie. Doch als ihr Gefährte erwachte und sie fragte, ob ihr die neue Pracht gefalle, stiegen ihr Freudentränen in die Augen, und sie umarmte ihn stumm. Später, beim Abendessen, erkundigte sie sich doch vorsichtig, wie es möglich sei, dass über Nacht so viel an dem Haus verändert werden konnte. "Ich habe durch meinen Handel viele neue Freunde", sagte der Mann nur lächelnd, und seine Gefährtin beließ es dabei, denn die untergehende Sonne ließ die Spitzen des neuen Gartenzauns golden durchs Fenster erstrahlen und beruhigte ihr Gemüt.

Während der folgenden Monde gab es viele Nächte, in denen der Mann nicht ins Schlafgemach kam. Stets wachte die Frau von den hämmernden Geräuschen auf, und stets blieb sie liegen, freudig die neuen Kostbarkeiten erwartend, die am nächsten Morgen das Haus schmücken würden. Längst war die Furcht von ihr gewichen. Ihr Leben war gut, und endlich hatten sie den verdienten Reichtum, den sie ebenso gut wie die erhabenen Damen und Herren vorzeigen konnten. Mehr und mehr Gold schmückte die Außenwand des Hauses, und auch die Ziegel des Daches waren mit dem edlen Metall überzogen. Kunstvolle Statuen aus Marmor zierten den Garten. Ein Klopfring, an dessen unterem Ende ein funkelnder Edelstein angebracht war, zierte die Eingangspforte, und weitere schimmernde Steine waren in den Weg eingelassen, der durch den Garten führte. Bei Sonnenuntergang wurde die Umgebung in goldenem Licht gebadet, das sich am Haus reflektierte. "Die Bewohner der Stadt machen einen Bogen um unser Anwesen", stellte die Frau eines Tages fest. "Sie schütteln den Kopf und beschleunigen ihren Schritt." Ihr Gefährte nickte. "Ja, sie neiden uns den Reichtum. Sollen sie sich das Maul zerreißen. Es ist das Ergebnis unserer Hände Arbeit, und keiner kann es uns verbieten, dort zu sein, wohin uns unser Pfad geführt hat."

Über ihren Pfad hatten sie beide schon lange nicht mehr gesprochen, und die Frau zuckte bei dem Wort zusammen. "Lass uns schlafen gehen", sagte sie. "Der Tag war lang."

Am nächsten Morgen wurden sie beide von einem Stimmengewirr geweckt. Es hatte sich eine Menschenmenge vor ihrem goldenen Haus zusammengefunden, die von drei Ordenshütern angeführt wurde. Die Leute trugen Fackeln, deren Flammen bedrohlich in der Morgendämmerung tanzten. Der Mann und seine Gefährtin standen in der Eingangtür und blickten fragend in die Meute, die sich vor ihrem Anwesen versammelt hatte. "Was wollt ihr hier?", rief die Frau.

"Hört ihr?", sagte einer der Nachbarn zu den Ordenshütern. "Sie krächzen nur noch. Keiner versteht sie mehr. Und seht sie euch an." - "Ja, diese riesigen, leeren Augen. Und die dunkle, lederne Haut. Es wurde immer schlimmer mit ihnen, von Mond zu Mond", ergänzte ein anderer. "Es sieht in der Tat nach einer schlimmen, unbekannten Krankheit aus. Oder nach Wildmagie", antwortete einer der Ordenshüter. "Es stinkt so sehr", jammerte eine Frau. "Wie kann man nur so etwas Schreckliches zusammenbauen?"

Verständnislos lauschten der Mann und seine Gefährtin den Ausrufen der Menschen vor ihrem Haus. Denn wo sie ein prunkvolles Anwesen aus Gold sahen, blickte die Menge auf das, was dort tatsächlich stand: Ein hoch aufragendes Gebilde aus Viehkadavern, die auf gewisse Weise kunstvoll in ein Geflecht aus Gebeinen und Ästen verwoben waren, bedeckt von einem dunklen, eklen Schleim, der in langen, trägen Fäden auf den Boden tropfte. Mit Lederstreifen zusammengebundene Oberschenkelknochen bildeten die Umzäunung, und Figuren, die aus den verschiedenartigsten Tierkörpern zusammengenäht waren, bevölkerten den einst gepflegten Garten, in dem fremdartige, kränklich aussehende Pflanzen wucherten. Schädel säumten den Weg, der zum Eingang des Hauses führte - eine unheilvolle Pforte, gebildet aus riesigen Rippenknochen.

"Brennt es nieder!", ertönte ein Schrei aus der Menge. In diesem Moment erwachten der Mann und seine Gefährtin aus ihrer Erstarrung. Instinktiv hoben sie ihre Hände in einer abwehrenden Bewegung, und aus ihren Fingern zuckten grelle, weißblaue Blitze. Die Ordenshüter wurden nach hinten geworfen und rissen einige der Menschen mit sich zu Boden. Aus dem entstehenden Tumult heraus wurden die ersten Fackeln auf das Haus geworfen, das kurz darauf in hellen Flammen aufging.

Doch die beiden Bewohner des grässlichen Gebildes hatten den kurzen Moment der Verwirrung genutzt und waren ins Innere geflüchtet. Später, als die verkohlten Überreste des Hauses erkaltet waren, fanden die Ordenshüter im Keller einen Zugang zu einem riesigen, verzweigten Höhlensystem, in dem Pilze wucherten und riesige Spinnentiere ihr Unwesen trieben. Nach einigen Stunden erfolgloser Suche kehrten sie wieder an die Oberfläche zurück. Ihr einziger Fund waren einige Tagebücher, die das Feuer im Keller unbeschadet überstanden hatten und aus denen offenbar wurde, mit welcher Verblendung die Frau und ihr Gefährte die grauenhafte Verwandlung des Hauses und ihrer selbst wahrgenommen hatten. "Sie sind nun in der Welt", sagte einer der Ordenshüter. "Malphas behüte uns vor ihrer Brut!" - "Wie sollen wir sie nennen?", fragte der zweite Ordenshüter. "Vielleicht nach diesem Krächzen, das sie von sich gegeben haben. - Wie klang es noch gleich?" Und der dritte Ordenshüter antworte: "So etwa wie: Arp ... Arp ..."