Enderal:Der Kürschner und die Wildmagie

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Der Kürschner und die Wildmagie

Bücher Der Kürschner und die Wildmagie
Daten
Gewicht Gewicht
1
Wert Wert
25
Autor
Unbekannt
Bemerkungen
-

Der Kürschner und die Wildmagie ist ein Buch in Enderal – Die Trümmer der Ordnung.


Fundorte


Personen

Eine Auflistung der im Buch vorkommenden Charaktere:

Inhalt

Der Kürschner und die Wildmagie

Sie wusste, dass die Zeit gekommen war.

Bemüht, die Tränen zurückzuhalten, holte sie tief Luft und klopfte an der Stahltür an. Ein Augenblick verging, und ein Mann mit markanter Nase und dichtem, pechschwarzen Bart öffnete. Noch bevor ein Wort gesprochen war, beschloss die Frau, dass sie ihn mochte - seine aufrechte Haltung vermittelte Sicherheit, seine schwarzen Augen Weisheit und Mitgefühl. Der Ordenshüter stellte keine Fragen - sie waren nicht nötig. Unzählige Frauen - und auch Männer - hatten schon an dieser Tür geklopft, um zu gestehen, und diese war keine Ausnahme.

"Kommt herein, Meydame", forderte er Sie auf und deutete mit seiner behandschuhten Rechten auf einen wuchtigen Schreibtisch. Den Kopf gesenkt kam sie seiner Aufforderung nach und trat ein. Der "Beichtraum", wie er im Volksmund genannt wurde, war spärlich eingerichtet. Drei große Fenster ließen das klare Mondlicht hinein, an beiden Wänden und am äußeren Ende des Raumes, hinter dem Schreibtisch, auf dem sie nun Platz nehmen würde. Um zu gestehen. Ein bitteres Gefühl machte sich auf ihrer Zunge breit. Niemals hätte sie gedacht, dass es soweit kommen würde.

"Wie ist Euer Name?", eröffnete der Hüter das Gespräch, als sie beide Platz genommen hatten, er mit dem Rücken zum Fenster, sie mit dem Rücken zur Tür.

"Schmied." Die Frau hob den Blick nicht. "Mirtha Schmied."

Der Hüter nickte, griff zu einem Stück Pergament, einer Schreibfeder und notierte ihren Namen.

"Und um wen handelt es sich?"

Mirtha zögerte kurz. Es ist zu spät. Es gibt kein Zurück mehr.

"Um meinen Gefährten. Meron Schmied."

Kaum war der Satz verklungen, brach sie in Tränen aus. Gleichzeitig drangen die Worte aus ihr hervor wie eine, zähe, bittere Masse.

"Zuerst hatte ich gedacht, es wär' Zufall. Aber die Male, in denen er viel zu spät oder einfach nicht mehr nach Hause kam, wurden immer, immer mehr. Irgendwann bin ich ihm dann gefolgt."

Der Hüter bedachte sie mit einem traurigen Blick und begann wieder zu notieren.

"Wessen Pfades war Euer Mann?"

"Kürschner. Wir -", sie machte eine wegwerfende Handbewegung, "Seine Familie ist schon seit mehreren Generationen dem Pfad des Pelzers zugeschrieben, aber was hat das mit meiner Aussage zu tun?"

"Reine Formalitäten Meydame", sagte er und vermerkte den Pfad auf seinem Pergament.

"Also - Ihr seid eurem Mann gefolgt; wohin begab er sich?", fragte er, auch wenn er schon einen vagen Verdacht hegte.

"In die -",die völlig aufgelöste Frau stockte kurz, "in die Unterstadt. Ich habe ihn noch nie dorthin gehen sehen, in dieses Getto, dieses Huren- und Bettlermilieu, dieses, dieses,...", brach es aus ihr zusammen mit neuen Tränen heraus.

"Beruhigen Sie sich bitte und schildern Sie was genau passiert ist", sagte der Hüter ruhig aber bestimmt.

Gleichzeitig bestätigte die Aussage der Frau seine Vermutung - die Unterstadt, der Dorn im Herzen des Ordens. Ein Geschwür in den Ruinen unter der Oberstadt, das immer größer wuchs und dem es nach immer neuen Opfern gierte. Räuber, Prostituierte, Halunken, Drogensüchtige, Halsabschneider und mehr - kurz sämtliche Arten von Wegelosen tummelten sich in ihren dunkeln und verschlungenen Gassen und entkamen so ihrer gerechten Strafe. Obwohl es regelmäßige Patrouillen und Kontrollen gab, hatte es der Orden bis jetzt noch nicht geschafft, all die verirrten Lämmer wieder auf ihren rechten Pfad zurückzubringen. Der Gedanke schmerzte ihm.

Nachdem sich die Frau wieder gefasst hatte, sprach Sie langsam weiter: "Er klopfte an der Tür einer alten, heruntergekommen Hütte mitten im Herzen des Bezirks. Zuerst passierte nichts. Schließlich aber lugte eine vermummte Gestalt durch ein Fenster direkt über der Tür. Kurz darauf schien Meron komische Parolen mit einer Stimme hinter der Tür auszutauschen, sie öffnete sich und mein Mann trat in die Hütte hinein. Eine kurze Weile wartete ich, dann ging ich näher an die Fenster der Hütte heran und blickte hindurch."

"Ihr seid äußerst tapfer gewesen, Meydame", sagte der Ordenshüter und nickte ihr anerkennend zu - er wusste nur zu genau wie schwer es war sich in solchen Situationen in die "Höhle des Vatyrs" zu begeben.

"Als ich Meron schließlich wieder sah, trug er dieselbe braune Gewandung wie dieser teuflische Pfortenwächter. Sie versammelten sich in einem Kreis, umgeben von Kerzen und Rauchschwaden, die einen süßlich-verwesenden Duft von sich abgaben. Und dann...", stammelte die junge Frau, "dann... dann brachten sie ein unbekleidetes Mädchen in den Raum, geknebelt und an Beinen und Füßen gefesselt. Sie zappelte und wehrte sich, aber ein pockennarbiger, bulliger Mann schlug sie brutal zu Boden, bis sie schließlich nur noch zitterte." Mittlerweile flossen die Tränen in Strömen aus ihren Augen und fielen schwer auf den steinernen Boden des Zimmers.

"Und Euer Gefährte sah tatenlos zu?", erkundigte sich der Hüter, dem das Leid der Frau sehr nahe ging - er hatte genug gehört um zu verstehen was die Frau beobachtet hatte und was genau mit ihrem Mann geschehen war.

"Er... Ich verstehe es nicht. Wie konnte er das nur tun? Es ergibt einfach keinen... keinen Sinn. Er war Zeit seines Lebens stets wegestreu! Wir... er..." Sie brach mitten im Satz ab und starrte nur noch mit leerem Blick auf den Steintisch, als würde sie hoffen, ihr Schweigen würde das Geschehene rückgängig machen.

Der Hüter streifte sich seinen Lederhandschuh ab und legte seine raue, hornhäutige Hand auf die der Frau.

"Häufig stellt uns der Pfad, den Malphas einem jeden zugedacht hat, vor verlockende Abzweigungen, und nicht immer erkennen wir sie als solche. Die Magie, die in den Adern eures Gefährten fließt und wohl vor kurzem ihren Weg in sein Bewusstsein gefunden hat, ist eine der grausamsten Versuchungen."

Die junge Frau schluchzte immer noch, aber mittlerweile kehrte wieder Leben in ihre ehrlichen Augen zurück. Die Berührung des bärtigen Ordenskriegers beruhigte sie.

"Und die Taten eures Gefährten sind nachvollziehbar. In den richtigen Händen ist die Magie, geformt, kontrolliert und geleitet, eines der größten Geschenke Malphas an uns", er beugte sich einen Handbreit zu der zerbrochenen Frau vor, "ohne Anleitung jedoch kann sie uns von innen zerfressen und uns in die Wegelosigkeit führen."

Er sinnierte über die Wahrheit seiner Worte. Magie war tatsächlich ein Geschenk, dass den wenigsten, allem voran den Aeterna, vergönnt war. Nur allzu viele einst wegestreue Einwohner Enderals entdeckten in ihren jungen Jahren eine Begabung zur Magie und meldeten sie nicht, wie es das Wort Malphas verlangte beim Orden um dort in Erfahrung zu bringen, ob und wie ihre Gabe eingesetzt werden sollte.

Das Schicksal der jungen Frau war bedauerlich.

Er vermutete, dass ihr Gefährte wohl vor kurzem seine magische Begabung entdeckt hatte und einer jener unterstädtischen Seelenfänger ihm Ängste eingeredet hatte. Irrationale Ängste und Lügen, durchwoben mit Splittern von Wahrheit über die Aufnahmeprüfung in den Orden, die jeder magiebegabte Endraläer durchlaufen musste: dass viele magiebegabte Novizen diese nämlich nicht überlebten. Dennoch war dies der einzige Weg.

Ein Wildmagier, so wurden Menschen mit magischer Begabung genannt, welche es nicht vermögen die magischen Energien in ihrem Körper zu kontrollieren, mochte zwar zu beeindruckender Macht gelangen, jedoch glich diese Macht mehr der eines tollwütigen Wolfs, der zwar rücksichtslos zerfressen konnte, aber dessen Wut sich unweigerlich mit der Zeit gegen seinen Herren richtete. Die im Orden praktizierte Magie glich viel mehr der eines treuen Schlachtrosses, das zwar seinen eigenen Willen besitzt, aber in Harmonie mit dem seines Reiters steht.

Eine zittrige Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. "Ihr werdet ihn doch nicht... töten, oder?", hauchte sie.

Er nahm seine Hand von der ihren und stützte sein Kinn auf seine sich berührenden Handrücken. Erst langsam, dann bestimmt, schüttelte er den Kopf. "Nein. Jeder Endraläer verdient eine Chance, auf den rechten Pfad zurückzugelangen." Erleichterung blitze über das traurige Glitzern in ihren Augen.

Trotzdem wusste er nur zu gut um die verheerenden Auswirkungen, die eine magische Vergiftung des Verstandes bewirken konnte - ob es für ihren Mann noch einen Weg zurück gab war zum derzeitigen Zeitpunkt unklar, gleichzeitig wollte er ihr aber auch nicht den letzten Hoffnungsschimmer rauben. "Malphas, steh uns bei", dachte er sich und fuhr mit dem Gespräch fort.

"Aber wir werden selbstverständlich eingreifen. Wenn jener Zirkel, von dem ihr sprecht, tatsächlich Unschuldige entführt, und mögen sie aus der Unterstadt kommen, müssen wir das Übel bei seiner Wurzel packen. Wenn wir ihn in eurer Bleibe erwarten, wird es nicht lange dauern, bis die anderen Wegelosen davon erfahren und jegliche Spuren ihrer Rituale beseitigen. Ich schlage also vor, wir warten nicht länger ab und ihr führt uns schnellstmöglichst zum Ort des Verbrechens."

Allem Anschein nach hatte die junge Frau ein Stück ihrer Fassung wieder zurückgewonnen. Sie nickte und richtete schließlich ihre Augen auf den Mann.

"Wie ist Euer Name?", fragte sie.

Überrascht hob er die Augenbrauen. "Simas. Simas Dal'Ceron."

Dann sagte sie, zum ersten Mal in dieser Nacht wieder mit fester Stimme, die der Verzweiflung ihrer Worte widersprach. "Bitte beschützt ihn, Simas. Ich flehe Euch an. "

"Ich verspreche mein Möglichstes für ihn zu tun", sagte der Hüter laut und klar.

Die Vorbereitungen waren schnell getroffen. Simas schilderte Natara dal'Veram, dem Oberhaupt des Ordens rasch die Umstände. Zwar gehörte das Intervenieren des Ordens bei Verbrechen und Wegelosigkeit zu den Routineunterfangen, aber da hier die Chance bestand, eine ganze Gruppe von kriminellen Wildmagiern zu entdecken, zögerte die betagte Kriegerin keinen Augenblick und bewilligte Simas eine Gruppe erfahrener Ordenskrieger, die mit ihm und der jungen Mirtha zum Ort des Verbrechens vorstoßen sollten.

In der Unterstadt angekommen verlor die Gruppe keine Zeit und wurde von Mirtha zielstrebig zu der Hütte geführt. Auch wenn sie sich pflicht- und selbstbewusst gab, wusste Simas wie stark zerrissen Mirtha innerlich sein musste.

Kurz bevor sie die Hütte erreichten, machten Simas, die Ordenskrieger und Mirtha in einer dunkle Gasse eine kurze Rast um das genaue weitere Vorgehen besprechen zu können.

"Habt Ihr weitere Zugänge als die Vordertür an der Hütte entdeckt, als Ihr dort wart?", fragte Simas Mirtha.

"Nicht das ich wüsste", antwortete diese, nun aber wieder etwas leiser und nachdenklicher, "aber nachdem ich diese ... grausame Tat erblicken musste rannte ich ohne mich umzusehen zurück in die Oberstadt - es kann gut sein, dass ich etwas übersehen habe."

"Ihr braucht Euch deswegen nicht zu grämen, niemand kann von Euch erwarten bei einem solchen Schauplatz des Grauens einen klaren Kopf zu bewahren", versuchte Simas Mirtha etwas aufzumuntern und sprach zu seinen Männern: "Der Plan ist also der folgende: 3 von euch umrunden die Hütte bis sie auf der Rückseite sind und geben dabei Acht auf eventuelle Fluchtwege, 2 bleiben hier bei der Dame und der Rest folgt mir in die Hütte."

"Aber, kann ich nicht mitk...", fing Mirtha an, doch verstummte zugleich. Selbst wenn es um Meron ging wusste sie um die Gefahren und mit ihrem Tod wäre niemandem gedient - außerdem würde es auch so schon schwer genug werden, da brauchten Simas und seine Männer keine zusätzliche Ablenkung.

"Ihr seid eine kluge und ehrliche Frau, Mirtha; ich kann eure Gedanken gut verstehen, aber auch um euer Willen bitte ich Euch hier zu warten", sagte Simas mit einem verständnisvollem aber auch strengem Blick in seinem Gesicht.

Sie starrte ihm eine Zeit lang in jenes, dann konnte man ein, "In Ordnung, ich werde warten" von ihr vernehmen, "vergesst aber in diesem Teufelshort nie euer Versprechen an mich."

Simas nickte und wandte sich an seine Männer: "Habt ihr eure Positionen und den Plan verstanden? Gut, dann fangen wir an."

Er und seine Männer verteilten sich und als die 3, die die Hinterseite bewachen sollten, an ihrem Ziel waren gab Simas das Signal. Er trat die Tür ein und schwärmte mit seinen Männern in die Hütte. Sofort kamen ängstliche aber auch wutentbrannte Schreie aus er Hütte: "Wie haben sie uns gefun ...? - Doch egal, wir sind viel mächtigere Magier als diese Vatyrensö..." Der Kampfeslärm übertönte Teile der Schreie, sodass Mirtha nicht alles verstehen konnte.

Seit Simas mit seinen Kriegern gegangen war, wandte sie den Blick nicht eine Sekunde von der Hütte ab und betete. Sie betete zu Malphas, auf dass er ihren Mann beschützen und retten solle.

Plötzlich war nur noch Stille aus der Hütte zu hören. Dann tauchten die Ordenskrieger zusammen mit Simas aus dem Eingang auf - 2 von Ihnen trugen einen leblosen Körper hinaus. Als ihr Blick auf den Körper fiel, erstarrte Mirtha für eine Sekunde, dann rannte sie wutenbrannt auf die Männer zu. Noch bevor sie sie erreichte, hielt Simas Mirtha auf: "Ist dies euer Mann? Dann hat er großes Glück gehabt in der Nähe der Tür zu stehen, so konnte ich ihn bewusstlos schlagen, bevor irgendwer in der Hütte überhaupt merkte, was los war. Die anderen Wildmagier hatten nicht so viel Glück: bis auf 2 Verletzte sind alle tot, auch einer der meinen musste sein Leben lassen - möge Malphas ihn auf seinem letzten Pfad begleiten"

Schlagartig wich jede Wut von ihr und Freude überkam sie: "Heißt das, Meron kann wieder ein normales Leben führen?"

"Noch steht nichts fest, zuerst müssen wir sehen, ob er die wilde Magie in sich bändigen und zu einem Ordenskrieger werden kann, und außerdem wird auch er sich für den Mord an dem jungen Mädchen verantworten müssen", mahnte Simas sie.

"Wenn er allerdings die Aufnahmeriten des Ordens überstehen kann und schwört, künftig ein pfadestreues Leben zu führen, wird ihm vielleicht Gnade zu Teil; immerhin war sein Geist durch die Magie benebelt.", sagte er mit dem Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht.

Mirtha strahlte,"Ich danke Euch von ganzem Herzen. Vor allem danke ich aber dem gnädigen Malphas, der sich meinem Meron erbarmte und ihm diese Chance auf einen Neuanfang bot, obwohl sich dieser völlig von dem Pfad abgewandt hatte."

"Malphas ist wie ein barmherziger Hirte. Auch wenn sie mal von ihrem rechten Pfad abweichen, lässt er seine Schäfchen nicht im Stich; solange diese ihm erneut ihre Pfadestreue zusichern und ein gutes weiteres Leben führen.", erklärte Simas, während sie aus dem dunklen Tunnel, der die Unter- und die Oberstadt verband, in das Licht der aufgehenden Sonne hinaustraten.