Enderal:Erzählungen des Wanderers: Der Schütze aus der Steppe

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Erzählungen des Wanderers: Der Schütze aus der Steppe

Bücher Erzählungen des Wanderers: Der Schütze aus der Steppe
Daten
Gewicht Gewicht
1
Wert Wert
25
Autor
Der Wanderer
Bemerkungen
-

Erzählungen des Wanderers: Der Schütze aus der Steppe ist ein Buch in Enderal – Die Trümmer der Ordnung.

Fundorte


Personen

Eine Auflistung der im Buch vorkommenden Charaktere:

Inhalt

Erzählungen des Wanderers: Der Schütze aus der Steppe

Auf meinen Reisen durch Vyn habe ich viele interessante Begegnungen gemacht, mal mit mehr, mal mit weniger erfreulichen Ausgängen.

Ich habe Wesen getroffen, die ihr Gesicht wechseln konnten wie eine Frau ihre Wäsche. Wandelnde Tote. Verlorene. Geister. Ungeheuer, die mich mit ihren Hauern, mit ihren Klauen zerreißen wollten. Die besten Krieger und Magier der Welt, auch wenn sie sich mancherorts mit Titeln und Taten rühmten, die sich später als die Unwahrheit erweisen sollten. Den Wahnsinn und die Gier, zwei Monstrositäten, die auf den ersten Blick nicht in diese Aufzählung passen mögen, doch was aus Menschen in Not werden kann ...

Nun, davon kann ich mehrere Lieder singen, und ich könnte damit viele Abende lang eine muntere Gesellschaft unterhalten. Aber ich bin weder ein Spielmann, noch bin ich ein Vagabund, der herumhurt und sich von Taverne zu Taverne säuft. "Der Wanderer", das ist mein Name.

Der Zweck meiner endlosen Wanderschaft ist es, die sagenhaften Krieger Vyns zu finden und ihre Kampftechniken zu entschlüsseln. Lest, was ich euch zu berichten habe.

Eines Tages befand ich mich auf dem Weg durch die Steppen und felsigen Höhen des Sandgebirges auf Arazeal. Man erzählte sich, dass dort, im kargen Ödland, der berüchtigtste Schütze jenseits des Gewürzkanals lebte.

Ich hatte schon so manche Geschichte über diesen Krieger gehört: "Alter Mann" - so hatte der pockennarbige Trunkenbold mich genannt, der mir von ihm in einer schäbigen Schankstube, im Hafen der großen Stadt Al-Rashim an Qyras Küste, berichtet hatte. Er hatte nach Tang, Fisch und Salzwasser gestunken, war eindeutig ein Seemann, der schon viel von der Welt gesehen hatte. "Nimm deine Kapuze ab, ich will sehen, mit wem ich rede. Oh, eine feine Narbe hast du da, aus einem Kampf, eh? Hast dich wohl zu langsam weggeduckt, Opa. Und dein rechtes Auge sieht auch nicht gesund aus, diese Farben da sind nicht normal, solltest du vielleicht mal untersuchen lassen. - Aber zurück zur Sache. Hast du schon den neuesten Dunst aus Arazeal gehört?", hatte er mit einschlägigem, endraläischem Akzent verlauten lassen.

Ich hatte den Tropf nur scharfäugig gemustert und den Kopf geschüttelt, obwohl ich sehr wohl Kenntnis davon besaß, von demjenigen, der die Zahl der Banditen im Sandgebirge innerhalb kurzer Zeit auf eine Handvoll dezimiert hatte. "Sie nennen ihn den 'Rächer der Staubwüsten'. Bei den Göttern, ein Unhold ist das, kein Mensch mehr, mit einer ungeheuerlichen Macht. Man sagt, er tötet, ohne dass sein Opfer etwas bemerkt, bis es schon zu spät ist. In einem Moment lebst du, im anderen bist du tot. So einem sollte man nicht in die Quere kommen." Dann hatte er sich zu mir vorgebeugt und die Stimme gedämpft: "Es heißt, er könne die Zeit drehen und winden, wie er es will."

Nachdem ich weitere Nachforschungen angestellt hatte, machte ich mich also auf, diesen Mann mit eigenen Augen zu sehen. Ich wanderte durch die öden Berge, fragte mich durch die Siedlungen der Nomaden, aber keiner wusste um die Identität des geheimnisvollen Schützen oder wo ich ihn antreffen konnte. Es dauerte einige Wochen, bis sich endlich eine Gelegenheit ergab, die mir aussichtsreich erschien. Auf einem hohen Kamm, den ich beschritt, vernahm ich gen Mittag - die Sonne brannte von hoch oben herab - Kampflärm. Darauf hatte ich gewartet.

Ich folgte dem Krach und begab mich hinter einer nahen Felsgruppe in Deckung. Ein Kampf war es jedoch nicht mehr. Der war, wenn er stattgefunden hatte, nur von kurzer Dauer gewesen. Es stand fünf zu eins: Ein fahrender Kaufmann, dürr und hoch gewachsen, offensichtlich Arazealer, wurde von einer Gruppe Räuber bedroht. Sie hatten seinen Karren umgeworfen und den Steppenstampfer getötet, der ihn gezogen hatte. Eine dunkelrote Lache breitete sich unter dem massigen Körper aus. Der Mann bettelte um sein Leben, während die Räuber mit ihm spielten und ihn drangsalierten. Es war der perfekte Köder für den "Rächer der Staubwüsten". Tatsächlich ließ dieser sich nicht lange bitten.

Ich hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl. Ich spüre, wenn mächtige Magie am Werk ist, dafür habe ich über die Jahre einen sechsten Sinn entwickelt. Im Augenwinkel erspähte ich eine vermummte Gestalt, die sich an die Räuber heranpirschte, mit Bewegungen so geschmeidig wie eine Katze. Im nächsten Moment hob sie die Hand, und Blitz und Feuer regneten auf die Banditen nieder, ehe sie wussten, wie ihnen geschah. Die Gestalt rannte auf ihre Gegner zu, zog den Bogen, legte einen Pfeil auf - dann passierte es.

Stille, ein Rauschen. Die Umgebung veränderte sich, vor meinen Augen versank alles in einem eintönigen, grauen Matsch. Jeder Augenblick fühlte sich an, wie eine Ewigkeit. Die ganze Szenerie war gefangen im Zauber des Fremden. Ich wusste, was er tat, spürte, wie er eine andere Realität aus dem Meer der Eventualitäten ins Leben rief, wie sie zur neuen Realität wurde. Zwischen alledem lagen nur Bruchteile, winzige Zeitsplitter. Für ihn selbst hatte sich der Zeitfluss nicht verändert, er bewegte sich wie im Auge eines tosenden Sturmes. Rasch entzog ich mich seiner Macht mithilfe eines Schutzzaubers.

Mein zweites, besonderes Auge, nahm wahr, wie die Pfeile durch die Luft sausten, ein jeder gefolgt von einem zweiten, spektralen Pfeil. Als sich der Zauber wieder gelegt hatte, lagen die Räuber zu Füßen des Händlers - tot, mehrmals von den spitzen Geschossen durchbohrt. Ich traute meinen Augen nicht. Der Fremde ging zu dem Händler, vergewisserte sich, dass er nicht verletzt war und drückte ihm einen gut gefüllten Beutel in die Hand, als Entschädigung für den kaputten Karren und das Lasttier. Er tat das still, ohne ein einziges Wort.

Dann verschwand er in den wirbelnden Staubwolken, doch zuvor warf er einen einen Blick zurück, zu meinem Versteck. Er wusste, dass ich dort war. Ich erhob mich. Der Schütze war, wie ich nun bemerkte, von zierlicher Gestalt. Er hatte grüne Augen, stechend wie Gift, mit langen Wimpern, und eine rote Locke kräuselte unter dem Tuch herab, das Kopf und Gesicht größtenteils bedeckte. - Kein Schütze, eine Schützin. Nachdem sie fort war, begleitete ich den Händler zur nächstgelegenen Siedlung.

Seither habe ich die Kriegerin nie wieder zu Gesicht bekommen, doch was ich sah, genügte mir, um mich von ihren Talenten zu überzeugen.

Aufgrund der Kombination von herkömmlicher Mental- und Elementarmagie, mit der sie den Erstschlag auf die Banditen wagte, verbunden mit ihrer Fertigkeit am Bogen und der Heimlichkeit, mit der sie sich in Schlagdistanz brachte, bevor sie attackierte, möchte ich ihrem Kampfstil den Namen "Arkaner Schütze" verleihen. Zählt man noch ihr mächtigstes Talent, das Verlangsamen der Zeit hinzu, ergibt sich zusammen ein Muster, das diese Kriegerin zu einer der tödlichsten Fernkämpferinnen der Welt macht. Die einzige Frage, die für mich bestehen bleibt, ist, woher sie die Reichtümer nahm, den Händler zu entschädigen, denn sie befand sich in einer ärmlichen Gegend, und die Nomaden hatten gewiss nicht genug, um sie für ihre Taten entlohnen zu können. Auf Arazeal ging seinerzeit das Gerücht um, eine magiebegabte Adelstochter - im Volke wohlbekannt als freches Gör von feurigem, rebellischem Gemüt - sei aus unerfindlichen Gründen aus ihrem Hause in einer der zivilisierten Küstenstädte geflohen, nicht aber ohne Teile des Familienschatzes der Vol Tis mit sich zu nehmen, vermutlich, um ihrem strengen Vater eins auszuwischen. Markenzeichen dieser Adelsfamilie waren grüne Augen und rotes Haar ...