Enderal:Mutterschmerz

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Mutterschmerz

Bücher Mutterschmerz
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Mutterschmerz ist ein Buch in Enderal – Die Trümmer der Ordnung.


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Mutterschmerz

Diese fantasievolle Erzählung ist all jenen gewidmet, welche ähnliches zu erleiden hatten und sich darin wiedererkennen. Für den Frieden der Menschheit ...


Das düstere Licht eines von Regenwolken verhüllten Abendhimmels umgab den Burgturm. In feinem, vom Wind herangetragenen Regen stand Idara, Fürstin über ein weites Land. Doch ihre Stimmung war betrübt. Denn ihre große Liebe, ein edler Mann an ihrem Hofe, sollte nicht den Platz an ihrer Seite einnehmen dürfen - so hatte es der Großkönig entschieden, der über ihnen allen stand. Ihr Geliebter sei nicht von ausreichendem Stande, um als Fürst mit ihr herrschen zu dürfen. "Ein einfacher Wachtmeister als Fürst unter meinen Augen?! Das werde ich nicht mit ansehen. Schaff ihn fort, er soll sich mit Seinesgleichen abgeben!", so schimpfte der Großkönig.

Sie hätte diese Ablehnung verkraften können und sich, wenn auch unter großer Trauer, einen anderen Mann suchen können, doch erwartete sie bereits ein Kind von ihrem Geliebten Ratar. So stand sie im windigen Regen auf dem Burgturm, blickte in die Ferne und hielt seine Hand. "Idara, höre mir zu: Unsere Liebe muss durch dieses Urteil kein Ende finden. Ich bedauere zwar, dass ich nicht offiziell an deiner Seite leben darf, doch die Nähe zu dir verbietet mir niemand. Etwas anderes jedoch betrübt mich: Das Kind. Wo soll es aufwachsen, in welcher Rolle, mit welchem Wissen über seine Herkunft? Ich sage dir: Wir müssen es abgeben, es soll bei Zieheltern aufwachsen. Dort wird es von dem ganzen Trubel nichts sehen und unserer Liebe nicht im Wege stehen."

"Aber ... was sagst du da, Ratar? Wir sollen es weggeben? Es ist unser Kind, ich werde es gebären und ich will es auch aufwachsen sehen, mich als Mutter darum kümmern und es nicht irgendwelchen fremden Händen überlassen!" "Idara ... ich kenne doch dein Begehren und verstehe dich in Gänze. Aber wie soll das funktionieren, dass du ein Kind groß ziehst, ohne offiziell einen Gatten zu haben? Man wird es dir nicht verzeihen und du würdest uns alle in große Schwierigkeiten stürzen. Daher schlage ich eine Alternative vor. Das Kind bleibt am Hofe und wir können so viel Zeit damit verbringen, wie es uns nur möglich ist, es wächst aber bei einer Ziehmutter auf."

Darauf einigten sich die beiden, und bald schon fanden sie eine gute Ziehmutter am Hofe, eine Köchin und Dienerin, welcher die Götter es nicht vergönnt hatten, selbst Kinder zu gebären. Sie hatte Mitleid mit den Beiden und versprach, sich um das kommende Kind zu sorgen, als wäre es ihr eigenes. Idara und Ratar bekamen schließlich eine Tochter und nannten sie Nezethi. Sie war ein kluges Kind, stets neugierig und auf der Suche nach neuen Abenteuern. Auch raufte sie sich oft mit den anderen Kindern am Hofe, und ihr Vater hatte schon früh die Idee, sie eines Tages zur Wache zu holen und sie dort auszubilden. Als sie älter wurde und ihre ungestüme Art bestehen blieb, stimmte auch Idara widerwillig zu, dass Nezethi der Wache beitreten durfte. Voller Freude, endlich den Umgang mit richtigen Waffen zu lernen, übte sie viel und wurde schon bald die Beste in der Lehrlingsgruppe. Doch ihr Talent rief auch Neider auf den Plan.

Die Söhne des Hofschmieds und des Braumeisters konnten es nicht ausstehen, dass ein Mädchen, und auch noch eines aus niederen Stande, ihnen voraus war. Sie versuchten, sie bei Wachtmeister Ratar anzuschwärzen, doch dieser schien sie sehr zu mögen und schenkte den Anschuldigungen wenig Aufmerksamkeit. Als Nezethi dann eines Tages den Bogenschuss-Wettkampf gewann, verloren die beiden endgültig die Beherrschung. Auf dem Heimweg vom Übungsplatz lauerten sie ihr auf, zogen sie in eine alte Scheune am Wegesrand und fesselten sie. Wüste Beschimpfungen folgten, sie zerbrachen ihren Bogen, zerbeulten ihr Schwert und, damit sie ja nicht vergesse, dass jemand wie sie bei der Wache keinen Platz hatte, wollten ihr die mit einer Fackel erhitzte Spitze ihres Schwertes auf ihren Arm brennen.

Da verlor Nezethi die Beherrschung und sprach, ohne, dass sie wusste, was sie tat, eine verbotene Zauberformel, welche den Sohn des Braumeisters mit gewaltiger Kraft zurück stieß, sodass er mit dem Rücken voran durch die hölzerne Scheunenwand schmetterte und schwer verletzt auf der Straße landete. Dies sahen einige Bauern, die sofort die Wache herbeiriefen.

Unzweifelhaft war, dass Nezethi eine verbotene Zauberformel verwendet hatte, was üblicherweise mit dem Tode geahndet wurde, und angesichts dessen wurden die Vergehen der beiden Jungen in diesem Fall unerheblich. Da Nezethi jedoch gerade erst fünfzehn Winter zählte, und sie sich die Zauberformel kaum selbst beigebracht haben konnte, sah man von einer Hinrichtung ab. Daher musste ihre Mutter ihr dies beigebracht haben, und so beschloss man, unter Führung von Fürstig Idara, dass die Mutter hinzurichten sei. Als Beweis der Abkehr von der sündhaften Zauberei wurde es nun Nezethi auferlegt, den Scheiterhaufen in Brand zu setzen und ihre eigene Mutter zu richten.

Ohne Ausweg, und mit tränenden Augen ging sie an jenem Schicksalhaften Tage des Urteils mit der Fackel zum Scheiterhaufen, sah ihrer vermeintlichen Mutter ins Gesicht und kam der schier unfassbaren ihr auferlegten Aufgabe nach. Mit dem Entzünden des Scheiterhaufens entzündete sie auch gleichzeitig einen unauslöschbaren Hass in sich. Ein Hass auf sich selbst, all dies getan zu haben und sich nicht gleich ihrer Mutter den Flammen hingegeben zu haben; ein Hass auf all jene, welche dieses grausamste aller Urteile sprachen; ein Hass auf all jene, welche das Urteil nicht verhinderten.

Und so schwor sie sich, dass die Fürstenhäuser dieses Landes eines Tages durch ihre Hand brennen würden. Alle Fürsten, und vor allem Fürstin Idara, sollten für ihr grausames Handeln gerichtet werden. So, wie sie sich dies als ihr Ziel setzte, so sollte es auch geschehen. [pagebreak] Nachdem wenige Jahre später das erste Fürstenhaus brannte, fasste man sie, und nur durch Idaras wirken wurde Nezethi nicht hingerichtet, sondern eingekerkert. Doch noch während ihrem Sturm auf das erste Fürstenhaus konnte sie eine Gruppe Gleichgesinnter um sich scharen, und diese trug während ihrer Gefangenschaft ihre Idee fort. Eines Tages gelang es ihnen, Nezethi zu befreien, und da war sie nicht mehr aufzuhalten. Ein Fürstenhaus nach dem anderen wurde in Flammen und Chaos gestürzt, bis zuletzt noch ihre Heimat unter Fürstin Idara übrig blieb, an deren Seite sich der Großkönig gestellt hatte.

Ihre kampfeslüsterne Schar stürmte die Stadt, verschonte aber all jene, welche sich ihnen nicht in den Weg stellten. Oben, am Herrscherhaus angelangt, schritten nur Nezethi und ihre engsten Gefolgsleute hinein. In ruhiger Erwartung ihres Schicksals standen Idara und der Großkönig in der Empfangshalle. Verunsichert, erzürnt und enttäuscht über ihre Furchtlosigkeit zog Nezethi ihr Schwert. "Für das unendliche Unrecht, dass ihr mir und all den anderen Mitstreitern hinter meinem Rücken und in der Stadt angetan habt, sollt ihr nun mit eurem Leben zahlen! Mitsamt diesem Haus, welches als Symbol für eure allzu lang währende Herrschaft steht, sollt ihr verbrennen! Ich werde eine neue Ordnung errichten und mit eigenen Augen darüber wachen, dass sie nicht scheitert, wie diese es tat."

"Nezethi, höre mich an! Auch wenn ich weiß, dass mein Schicksal besiegelt ist, will ich dir folgendes sagen: Du bist nicht das Kind einer Köchin an diesem Hofe, sondern mein Kind, meine Tochter! Wachtmeister Ratar und ich zeugten dich. Deine Strafe von einst schneidet mir bis heute jeden Tag aufs Neue ins Herz. Bitte verzeih mir. Wenn es deinen Zorn bändigt, dann richte mich. Aber bitte, zum Wohle aller Menschen in diesem Land, führe diese Herrschaft in Frieden fort."

"Aber ... wie kann das sein?! Warum hast du das mir, deiner eigenen Tochter angetan?! Nein ... ich will nicht diese Herrschaft weiterführen als deine Tochter, als rechtmäßige Thronfolgerin dieser verabscheuungswürdigen Dynastie. Das Feuer in mir kann ich nicht löschen, so werde ich das tun, was ich schon damals hätte tun sollen."

Nezethi riss einem ihrer Gefolgsleute eine Fackel aus der Hand, schleuderte die mitgebrachten Ölbeutel auf den Boden vor und neben Idara und den entsetzt blickenden Großkönig, und setzte diese hölzerne Empfangshalle mitsamt den Beiden in Flammen. Ihr Gefolge ergriff die Flucht, doch sie ging festen Schrittes durch die Flammen auf Idara zu, fiel ihr in die Arme, und ließ die Flammen ihr Werk vollenden.