Enderal:Der Pfad, Buch 7: Der Krake

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Der Pfad, Buch 7: Der Krake

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Literatur Der Pfad, Buch 7: Der Krake
Daten
Gewicht Gewicht
1
Wert Wert
25
Autor
Unbekannt
Bemerkungen


Fundorte


Inhalt

Vers XLVI

Die Tage und Wochen verstrichen, und eines Tages durchquerten die Vasallen ein düsteres Meer, mit Wasser schwarz wie Rabenfedern. Riesige, graue Monolithen streckten sich wie Speere in die Höhe, und ein Nebelschleier lag über jener unheilvollen Passage wie eine Glocke. Doch die Vasallen blieben standhaft, und sie hatten den Nebel fast durchquert, als eine riesige Kreatur sich aus dem Meer erhob. Sie hatte Tentakel, dick wie Baumstämme, und ihre Augen leuchteten rot im Schimmer der Nacht.

Vers XLVII

Das Monster erhob einen Tentakel und schmetterte ihn mit voller Wucht auf das Schiff herab. Das Holz zerbarst, und der Segelmast brach entzwei. Die Vasallen schrien voller Angst, Verwunderung und Panik, war ihnen doch klar, dass sie der Kreatur nicht gewachsen waren, unbewaffnet, wie sie ihr gegenüberstanden. Doch diesmal war es Ketaron, der Standhaftigkeit bewies.

Vers XLVIII

Während die Tentakel der Kreatur wüteten und Fontänen aus schwarzem Wasser aus dem Meer emporschossen, schritt er unbeirrt an den Bug des Schiffes, so weit, dass er dem Monstrum unmittelbar in die Augen sah. Selna schrie Worte der Warnung, doch Ketaron ignorierte sie, wusste er doch, was er zu tun hatte. Einen Augenblick lang herrschte Stille, und die Kreatur musterte den vermeintlich kleinen Widersacher voller Argwohn. Dann hievte sie sich aus der Tiefe empor, jeden Tentakel um einen der Monolithen geschlungen, und öffnete ihr riesiges, dämonisches Maul, gefüllt mit Reißzähnen lang und scharf wie Zaunpfähle. Knochen, Schiffsplanken und Algen fielen daraus hervor, und ein fauliger Gestank schlug Ketaron entgegen. Doch er verzagte nicht und rührte sich keinen Deut von der Stelle, war er doch vom Glauben an Malphas und den rechten Weg erfüllt.

Vers XLIX

Und da schoss das Monstrum auf Ketaron zu, das abscheuliche Maul bis zum Anschlag geöffnet, bereit ihn zu verschlingen! Ein letztes Mal wandte er sich seinen Kameraden, Malphas' ersten Vasallen, zu und bedachte sie mit einem traurigen, aber bestimmten Lächeln. Und urplötzlich ging er in Blitze auf.

Vers L

Zahlreich waren sie, weiß und grell, und donnernd wie das Tosen eines Orkans. Sie umzuckten seinen Körper, schossen aus seinen Fingerspitzen, aus seinen Augen. Und noch bevor Selna und all jene, mit denen er so lange Zeit gereist war, begreifen konnten, was geschah, stürzte er sich in das Maul der Bestie.

Vers LI

Wie schnell der Ausdruck von Gier und freudigem Hunger doch aus ihrer dämonischen Fratze wich! Einen Schrei stieß sie aus, so laut, dass er von Kilé bis nach Arktwend, von Qyra bis nach Nehrim zu hören war. Und voller Schmerzen wand sie sich, peitschte die Tentakel umher, um der Agonie zu entkommen. Aber sie konnte es nicht, denn ihr Schicksal war ihr beschieden. Und dann, nach etlichen Minuten der Qual, zerbarst sie, gleich einem auf den Boden geworfenen Tonkrug. Ihr Fleisch war braun, ihr Blut schwarz, und tausend kleine Stücke regneten auf die verdatterten Vasallen und ihr Schiff nieder. Kaum hatten die Überreste der Kreatur das Holz des Schiffes oder das Kühl des Meeres erreicht, lösten sie sich auf. Und als all dies geendet hatte, gab es keinen Beweis mehr für die Existenz des Monstrum, bis auf den zersplitterten Segelmast – und das Verschwinden von Ketaron.

Vers LII

Wie gefesselt verharrten die Vasallen in ihren Positionen, unfähig, das Geschehene zu begreifen. Aber es war Selna, der es in jenem Moment wie Schuppen von den Augen fiel. Und sie trat vor ihre Freunde und proklamierte mit lauter Stimme:

Vers LIII

"Trauert nicht um seinen Tod, Brüder und Schwestern! Er starb als Held, und er rettete unser aller Leben!"

Vers LIV

Einer der Vasallen, ein alter Mann, erhob das Wort: "Aber wie konnte er das Unwetter beschwören? Auch Asâtoron und die Aeterna konnten diese Wunder wirken! Und ihre Herzen waren verdorben! Ich verstehe nicht, Schwester Selna! Erkläre es mir!"

Vers LV

Und Selna antwortete: "Magie ist weder böse noch gut! Sie wird uns von den Göttern in die Wiege gelegt, und wir sind es, die entscheiden, ob wir Unheil oder Gutes mit ihr anrichten."

Vers LVI

Daraufhin fragte der alte Vasalle: "Aber was, wenn jemand die Gabe missbraucht, so wie die Aeterna es über all die Jahrhunderte taten? Wer führt sie zu ihrer rechten Strafe, ist doch einer von ihnen mächtiger als fünf Dutzend Soldaten zusammen?"

Vers LVII

Nun war es Malphas' Stimme, die aus Selnas Mund erklang, göttlich und erhaben. "Sie selbst bestrafen sich! Magie ist eine Probe und eine Verantwortung, und nur die wegestreusten der Wegestreuen lassen sich nicht von ihr verführen! Die, die es aber tun, werden niemals Einzug in die Ewigen Pfade finden, die jene von Euch erwarten, die mir zu Lebzeiten gehuldigt haben! Verstoßen sollt Ihr diese Wildmagier, jagen und zur Rechenschaft bringen sollt ihr sie, denn sie gefährden den Frieden des Reiches, das Ihr unter meiner Obhut erbauen werdet!"

Vers LVIII

Und wieder erkannten die Vasallen die Wahrheit in den Worten des Lichtgeborenen. Es waren nicht viele von ihnen, die im Laufe der Reise die Magie in sich entdecken sollten - aber jene, die es taten, offenbarten ihre Gabe und setzten sie für das Wohl der Gemeinschaft, nicht aus Eigennutz und Gier ein. Denn nur aufgrund der Aufopferungsbereitschaft ihres Kameraden, des heiligen Ketaron, war es ihnen möglich, weiterzusegeln, hatte er doch das dämonische Biest geschlachtet. Und so kam es, dass dieser Mond uns als "Der Krake" bekannt werden sollte.